Kiesabgrabungsgebiete – Auenlebensräume aus Menschenhand

Der aktive Kiesabbau schafft Pionierlebensräume, wie sie früher durch die Flussdynamik der Weser entstanden. (Foto: Dirk Esplör)
Der aktive Kiesabbau schafft Pionierlebensräume, wie sie früher durch die Flussdynamik der Weser entstanden. (Foto: Dirk Esplör)

Rohstoffgewinnung und Landschaftszerstörung…

In den letzten 100 Jahren sind in der Petershäger Weseraue durch den Abbau von Sand und Kies für die Bauindustrie zahlreiche Seen und Teiche entstanden. Solche häufig sehr großen und tiefen, kaum strukturierten Gewässer werden gemeinhin als hässliche "Wunden" in unserer Kulturlandschaft angesehen.
Renaturierungsmaßnahmen haben aber dafür gesorgt, dass diese Gewässer heute wichtige Ersatzlebensräume darstellen.

Die in Kolonien brütende Uferschwalbe benötigt zum Bau ihrer Brutröhren Steilufer und Abbruchkanten. Diese findet sie heute nur noch selten an Flussufern sondern vor allem in Kiesabbaugebieten. (Foto: Erich Thielscher)
Die in Kolonien brütende Uferschwalbe benötigt zum Bau ihrer Brutröhren Steilufer und Abbruchkanten. Diese findet sie heute kaum noch an Flussufern sondern vor allem in Kiesabbaugebieten. (Foto: Erich Thielscher)

… ermöglichen Auenregeneration

Die auf den ersten Blick "unordentlichen Kiesabgrabungen" bieten viele ökologische Nischen, die früher in natürlichen Flussauen anzutreffen waren aber heute wegen des genormten Verlaufs unserer Fließgewässer weitgehend verschwunden sind.

Ihre frisch angerissenen Steilufer und Abbruchkanten, Kies- und Schlamminseln mit Pioniervegetation, Weidenwäldern und –gebüschen, bieten ähnliche Lebensräume wie die Altwasserschlingen, Weiher und nur kurzzeitig wasserführenden Tümpel und Flutrinnen der urtümlichen Weserlandschaft. Schon während des laufenden Kiesabbaus nutzen nicht nur zahlreiche Vögel sondern auch Amphibien und Insekten diese neuen dynamischen Lebensräume.

Renaturierte Kiesabgrabung im Naturschutzgebiet Häverner Marsch mit Röhrichten, Weidengebüschen, Gras- und Staudenfluren. (Foto: Dirk Esplör)
Renaturierte Kiesabgrabung im Naturschutzgebiet Häverner Marsch mit Röhrichten, Weidengebüschen, Gras- und Staudenfluren. (Foto: Dirk Esplör)
Die seltene Löffelente brütet in renaturierten, ungestörten Kiesabgrabungen der Weseraue. (Foto: Hans Glader)
Die seltene Löffelente brütet in renaturierten, ungestörten Kiesabgrabungen der Weseraue. (Foto: Hans Glader)
Zahlreiche Gänsesäger nutzen die großen Kiesabgrabungsgewässer der Weseraue zur Überwinterung. Hier können sie ungestört nach kleinen Fischen tauchen. (Foto: Erich Thielscher)
Zahlreiche Gänsesäger nutzen die großen Kiesabgrabungsgewässer der Weseraue zur Überwinterung. Hier können sie ungestört nach kleinen Fischen tauchen. (Foto: Erich Thielscher)
Das bedrohte Zierliche Tausendgüldenkraut wächst an zeitweilig trockenfallenden, vegetationsarmen Gewässerufern. (Foto: Dirk Esplör)
Das bedrohte Zierliche Tausendgüldenkraut wächst an zeitweilig trockenfallenden, vegetationsarmen Gewässerufern. (Foto: Dirk Esplör)

Viele typische Arten der Flussauen sind gut an eine gewisse Instabilität ihrer Lebensräume angepasst bzw. benötigen diese sogar zu ihrem Überleben. So laicht die selten gewordene Kreuzkröte nur in immer wieder veränderten, weitgehend vegetationsfreien Tümpeln. Die Flussseeschwalbe ist zur Brut auf vegetationsfreie Sand- und Kiesinseln, die Uferschwalbe zur Anlage ihrer Brutröhren auf Steilwände angewiesen.

Die beschriebenen Lebensräume sind in der heutigen Weseraue nur noch in Sand- und Kiesabgrabungen vorhanden. Durch den voranschreitenden Kiesabbau entstehen sie immer wieder neu. Ist der Abbau jedoch abgeschlossen, setzt eine allmähliche "Reifung" der Kiesgruben-Lebensräume ein.

An den Ufern der Abgrabungsgewässer können sich bei entsprechender Ufergestaltung Verlandungsvegetation, z.B. Röhrichte und Seerosengesellschaften und daran anschließend Weidengebüsche und –wälder entwickeln. Hier lebt eine Vielzahl flussauentypischer Tiere und Pflanzen wie der Teichrohrsänger, die Schnatterente, die Große Mosaikjungfer, der Seefrosch, der Rohrkolben und die Schwanenblume.

Besonders attraktiv sind Kiesabgrabungen, die mit der Weser in Verbindung stehen oder zumindest bei Hochwasser mit ihr korrespondieren. So kann die Lebensraum gestaltende Wirkung der Flussdynamik wirksam werden. So nutzen viele Fische die Auengewässer zur Fortpflanzung, Sumpf- und Wasserpflanzen können mit ihren schwimmfähigen Samen an neue Wuchsorte gelangen.

In diesen Bereichen finden sich unter Anderem bemerkenswerte Pionierfluren zeitweilig trockenfallender Fluss- und Teichufer mit Rotem Gänsefuß, Elb-Spitzklette, Zierlichem Tausendgüldenkraut, Ziegelrotem Fuchsschwanz und Braunem Zypergras.